Papst ernennt Josef Grünwidl zum Wiener Erzbischof
Die Berufung des bisherigen Apostolischen Administrators der Erzdiözese Wien zum neuen Leiter der mit mehr als einer Million Katholiken zahlenmäßig größten Diözese Österreichs wurde Freitagmittag im Pressebulletin des Vatikans mitgeteilt. Die Entscheidung sei vor wenigen Tagen vom Papst getroffen und am Mittwoch dem Apostolischen Nuntius in Wien, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, sowie dem künftigen Wiener Erzbischof mitgeteilt worden, teilte die Erzdiözese mit.
Damit Grünwidl sein neues Amt antreten kann, muss er erst zum Bischof geweiht werden, was voraussichtlich im Jänner 2026 der Fall sein und von Kardinal Schönborn vollzogen werden wird, so die Erzdiözese. Gleichzeitig finde dann auch die feierliche Amtseinführung statt. Bis zu diesem Zeitpunkt verwaltet er die Erzdiözese wie bisher als Apostolischer Administrator.
Mit Josef Grünwidl kommt an die Wiener Kirchenspitze ein Erzbischof, der noch vor einem Jahr über die Diözesangrenzen hinaus kaum bekannt war. In den Vordergrund zu drängen, war nie die Art des 62-Jährigen. Doch durch sein stilles Wirken in der Seelsorge hat er sich über Jahrzehnte bewährt und überzeugte damit nicht nur in der Erzdiözese, sondern offenbar auch seinen Vorgänger Kardinal Schönborn. Dieser hatte ihn einst zum Sekretär und später zum Bischofsvikar bestellt - und ihn dann wohl auch im Vatikan als Apostolischen Administrator empfohlen. Diesen Übergangsauftrag erfüllte der gebürtige Weinviertler - wie von vielen attestiert wurde - mit Bravour, womit er sich in den Augen der Kirchenleitung für höhere Aufgaben qualifizierte.
Gebürtiger Weinviertler
Der neue Wiener Erzbischof wurde am 31. Jänner 1963 in Hollabrunn geboren und wuchs im nahegelegenen Wullersdorf auf, unweit des Benediktinerpriorats Maria Roggendorf. Nach der Matura am erzbischöflichen Aufbaugymnasium in Hollabrunn trat Grünwidl 1981 ins Wiener Priesterseminar ein und studierte Theologie an der Universität Wien. Gleichzeitig belegte er das Konzertfach Orgel an der Musikuniversität. Während eines Studienjahrs in Würzburg fiel die Entscheidung: "Musik bleibt mein Hobby, Priester wird mein Beruf." 1987 empfing er durch Weihbischof Helmut Krätzl die Diakonenweihe, 1988 folgte die Priesterweihe durch Kardinal Franz König.
Sein seelsorglicher Weg führte ihn zunächst als Kaplan nach Wien-St. Johann Nepomuk (ab 1988), dann als Kurat an die Dompfarre Wiener Neustadt (1991) und als Diözesanjugendseelsorger (1993) in die überregionale Arbeit. Von 1995 bis 1998 war er Sekretär des damals frisch ernannten Erzbischofs Christoph Schönborn. Danach war Grünwidl viele Jahre Pfarrer in mehreren Gemeinden des südlichen Niederösterreichs, darunter Kirchberg am Wechsel, Feistritz, St. Corona und Trattenbach. 2007 wurde er Dechant, ab 2014 Pfarrer von Perchtoldsdorf. 2016 folgte die Wahl zum geschäftsführenden Vorsitzenden im Wiener Priesterrat, 2023 die Ernennung zum Bischofsvikar für das Vikariat Süd, 2024 zum Ehrenkanoniker des Stephansdoms.
Dialogbereiter Interimschef
Nachdem Papst Franziskus (2013-2025) das altersbedingte Rücktrittsgesuch von Kardinal Schönborn genau an dessen 80. Geburtstag am 22. Jänner 2025 angenommen hatte, wurde der damalige Bischofsvikar Grünwidl von ihm zeitgleich zum Apostolischen Administrator der Erzdiözese Wien bestellt. Seine Aufgabe war seither die interimistische Leitung der Diözese inklusive Verwaltung, seelsorglicher und personeller Koordination, jedoch ohne langfristige Entscheidungen, um dem künftigen Erzbischof nicht vorzugreifen. In dieser Phase profilierte er sich als seelsorglich geerdeter Leiter, geschätzter Prediger und verständiger Gesprächspartner. Diözesanintern wurde sein zuhörender Führungsstil breit geschätzt.
Mit der Ernennung zum Übergangsleiter rückte Grünwidl auch in den Kreis potenzieller Nachfolger. Von Medien auf kirchliche "heiße Eisen" angesprochen, zeigte er sich offen für Reformen. Grünwidl war einst Mitglied der Pfarrer-Initiative, hatte sich von der Reformgruppe jedoch bei deren "Aufruf zum Ungehorsam" wieder zurückgezogen. In aktuellen Interviews betonte er, der Zölibat sei für ihn persönlich eine bewusst gewählte Lebensform, aber "keine Glaubensfrage" - und sollte daher für Priester nicht zwingend vorausgesetzt werden. Beim Thema Frauen in der Kirche ortete er "dringenden Klärungsbedarf": Das Frauendiakonat sollte weiter diskutiert werden, auch eine Aufnahme von Frauen ins Kardinalskollegium wäre für ihn denkbar. Als Administrator nahm er drei Frauen ins diözesane Leitungsteam auf.
Mystik statt Kulturchristentum
Die Zukunft der Kirche sieht Grünwidl jedoch nicht in Strukturfragen, sondern in der geistlichen Erneuerung. Die Seelsorge brauche nicht Funktionäre, sondern "Mystikerinnen und Mystiker", so sein Credo. Wer kirchlich tätig sei, müsse zuerst das eigene geistliche Leben pflegen. Menschen mit "abweichender Lebensführung" oder Glaubenszweifler sollten auf "ein liebendes Herz" treffen, und statt oberflächlichem "Kulturchristentum" brauche es eine persönliche Christusbeziehung, sowie regelmäßiges Gebet, Schriftlesung und Eucharistie. In einer Zeit, in der Zugehörigkeit zur Kirche zunehmend zur bewussten Entscheidung werde, plädierte er für stärkere Begleitung und eine glaubwürdige Verkündigung: Das Evangelium sei "die beste Botschaft, in der es um Frieden, Versöhnung, Gemeinschaft und Hoffnung geht".
Die schrumpfenden personellen und finanziellen Ressourcen der Kirche sind Grünwidl bewusst, musste er doch schon als Pfarrer und Administrator damit umgehen. Insbesondere beim Umgang mit kirchlichen Gebäuden plädiert er für behutsame, gemeindenahe Entscheidungen, die vom Erhalt über Umwidmung bis zur möglichen Veräußerung reichen könnten. Die beste Lösung sei "eine lebendige Gemeinde, damit Kirchen im Dorf bleiben" und weiterhin die spirituelle Grundversorgung sichern könnten. Als diözesaner Interimsleiter sprach er sich für ein pastorales Gebäudekonzept und verstärkte Zusammenarbeit zwischen benachbarten Pfarren aus.
Zum Thema Synodalität forderte Grünwidl bisher eine "heilsame Dezentralisierung", müsse doch nicht jede einzelne Frage zentral in Rom entschieden werden. Neue Beratungs- und Entscheidungsformate könnten helfen, "kirchliche Schwerhörigkeit gegenüber dem Evangelium und den Lebensrealitäten" zu überwinden. Ob und in welcher Weise er sich künftig in politische Debatten einbringen wird, bleibt abzuwarten. Eine Kirche, "die ständig mit dem Zeigefinger zur Tagespolitik Stellung nimmt", lehnte der künftige Erzbischof ab; wo es jedoch um Menschenwürde, Gerechtigkeit und den Schutz Benachteiligter gehe, seien klare Worte unbedingt geboten.
Bergliebhaber und Organist
Ausgleich zum kirchlichen Alltag findet der neue Leiter der Erzdiözese Wien vor allem im Naturerlebnis beim Bergwandern sowie auch beim Musizieren. Musik war für ihn stets "Lebensmittel" und "ein Weg zu Gott", sei es am Klavier oder an der Orgel, berichtete er in einem Radiointerview. Freunde beschreiben ihn als feinsinnigen, humorvollen Menschen und als Fan von Loriot. Zu Grünwidls geistlichen Leitbildern zählen die Benediktsregel ("Bete, arbeite und lies") und die heilige Teresa von Avila, deren Gottvertrauen und "zweite Bekehrung" ihn besonders beeindrucken.
In den vergangenen Monaten seit Beginn seiner interimistischen Leitungsfunktion hatte Grünwidl in Bezug auf die Nachfolge von Kardinal Schönborn mehrfach erklärt, er sehe sich "nicht in dieser Aufgabe" und würde lieber in seine Pfarre zurückkehren. Würde ihn der Papst dennoch darum bitten, so wolle er "sehen, wie ich darauf reagiere". Nun hat er dem Ruf aus Rom doch zugestimmt.
(Laufend aktualisierter Kathpress-Themenschwerpunkt zur Ernennung des neuen Wiener Erzbischofs unter www.kathpress.at/erzbischof-gruenwidl)
Quelle: www.kathpress.at
© Foto: Erzdiözese Wien/Schönlaub, Stephan Schönlaub