Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit/Weißer Sonntag (Lesejahr C) | 27. April 2025
Gedanken von Jakob Kremer (1924-2010)
Offb 1,9-11a.12-13.17-19a
9 Ich, euer Bruder Johannes, der wie ihr bedrängt ist, der mit euch an der Königsherrschaft teilhat und mit euch in Jesus standhaft ausharrt, ich war auf der Insel Patmos um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus.
10 Am Tag des Herrn wurde ich vom Geist ergriffen und hörte hinter mir eine Stimme, laut wie eine Posaune.
11a Sie sprach: Schreib das, was du siehst, in ein Buch, und schick es an die sieben Gemeinden in Kleinasien.
12 Da wandte ich mich um, weil ich sehen wollte, wer zu mir sprach. Als ich mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter 13 und mitten unter den Leuchtern einen, der wie ein Mensch aussah; er war bekleidet mit einem Gewand, das bis auf die Füße reichte, und um die Brust trug er einen Gürtel aus Gold.
17 Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte
18 und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt.
19a Schreib auf, was du gesehen hast.
Ein „Bild“ des Auferstandenen
Wie sieht eigentlich der von den Toten auferstandene Christus aus? Nach den Evangelien gab Jesus sich mehrfach als vom Tod Erstandener zu erkennen. Wie er aussah, wird jedoch nirgends beschrieben. Die einzelnen Angaben lassen keinen Rückschluss auf seine Gestalt zu; denn sie geben nur aus der Sicht der Evangelisten den Eindruck auf die Betroffenen wieder, die ihn für einen „Gärtner“ (Joh 20,15), „Reisegefährten“ (Lk 24,13ff) oder einen leiblosen „Geist“ (Lk 24,39) hielten bzw. seine Wundmale sahen (Joh 20,20.27).
In den Aussagen des Paulus über seine Begegnung mit dem Auferstandenen (z. B. Gal 1,16; 1 Kor 9,1; 15,8) schreibt dieser nichts über dessen Aussehen. Das ist nicht zufällig. Der als Person von den Toten Auferstandene besitzt nämlich nicht mehr den „Leib der Niedrigkeit“ (irdischer Existenz), sondern den der „Herrlichkeit“ (Phil 3,21; vgl. 1 Kor 15,53). Wenn er sich Menschen zu erkennen gab, so tat er das in einer Weise, die ihren Vorstellungen von ihm auf Grund früherer Begegnungen oder Nachrichten über ihn entsprach. (Ähnliches gilt für die oft diskutierten Marienerscheinungen.)
Das lehrt u. a. die Schilderung am Anfang der von einem Johannes um 90 in einer Zeit der Christenverfolgungen niedergeschriebenen „Offenbarung Jesu Christi“ (Offb 1,1). Der Seher schaut in der Eingangsvision Christus als den eigentlichen Autor seines Buches inmitten von sieben Leuchtern, die die Adressaten symbolisieren (1,20). Der Herr weilt also mitten unter den bedrängten Christen; er kennt ihre Sorgen und ist ihnen nahe.
Johannes beschreibt den ihm Erschienenen mit Worten und Bildern, die ihm aus der Bibel vertraut sind: Er sieht aus „wie ein Menschensohn“ (wörtlich), also wie die Dan 7,13 geschaute Richtergestalt, deren Name nach den Evangelien Jesus selbst als Erfüllung der Vision Daniels zusteht. Die Kleidung kennzeichnet ihn als hohepriesterliche und fürstliche Person (vgl. Ex 28,4.4ff; Dan 10,5). Seine Autorität deuten weitere biblisch inspirierte Angaben an: das „weiße Haar“ (vgl. Dan 7,9), seine „Augen wie Feuerflammen“ (vgl. Dan 10,6), „das Schwert, das aus seinem Munde hervorgeht“ (Jes 49,2).
Der Geschaute stellt sich schließlich dem erschrockenen Seher selbst vor, und zwar mit Worten, die ihn charakterisieren als gottgleichen „Erster und Letzter“ (vgl. Offb 1,8: „L und W“ [Omega, letzter Buchstabe]), als „der Lebendige“ (Jes 44,6) und den, der tot war und jetzt für immer lebt, ja der Schlüsselgewalt über Tod und Totenreich hat (vgl. Offb 3,7). Das vom Seher der Apokalypse gemalte Bild des auferstandenen Christus deutet uns nicht photographisch sondern symbolhaft seine Nähe, aber auch seine überirdische Macht an, kraft derer er auch uns an seinem Leben und seiner Herrlichkeit Anteil geben kann.