24. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr C) | 14. September 2025 (Auslegung zu Kreuzerhöhung leider nicht vorhanden)
Gedanken von Jakob Kremer 1924 - 2010
Ex 32, 7–11.13–14
In jenen Tagen sprach der Herr zu Mose:
Geh, steig hinunter, denn dein Volk, das du aus dem Land Ägypten heraufgeführt hast, läuft ins Verderben. Schnell sind sie von dem Weg abgewichen, den ich ihnen vorgeschrieben habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht, sich vor ihm niedergeworfen und ihm Opfer geschlachtet, wobei sie sagten: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben.
Weiter sprach der Herr zu Mose:
Ich habe dieses Volk gesehen und siehe, es ist ein hartnäckiges Volk. Jetzt lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt! Dich aber will ich zu einem großen Volk machen.
Mose aber besänftigte den Herrn, seinen Gott, indem er sagte:
Wozu, Herr, soll dein Zorn gegen dein Volk entbrennen, das du mit großer Macht und starker Hand aus dem Land Ägypten herausgeführt hast. Denk an deine Knechte, an Abraham, Ísaak und Israel, denen du selbst geschworen und gesagt hast: Ich will eure Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel, und: Dieses ganze Land, von dem ich gesprochen habe, will ich euren Nachkommen geben und sie sollen es für immer besitzen.
Da ließ sich der Herr das Unheil reuen, das er seinem Volk angedroht hatte.
Zorniger Vernichtungswille, Besänftigung durch Mose und dann Reue - ein solches primitives Gottesbild drängt sich dem auf, der diesen Bibeltext als vom Himmel her diktiertes Wort Gottes auffasst. Mit Recht aber betonen die Bibelwissenschafter - im Einklang mit der echten kirchlichen Tradition -, dass die Bibel zwar Wort Gottes ist, doch abgefasst in menschlicher Sprache, die der Übersetzung bedarf. Eine nähere Betrachtung der Sonntagslesung aus dem Buch Exodus kann dies verdeutlichen.
Im Rahmen dieser alten Überlieferung von der Verehrung des goldenen Kalbes (Ex 32,1-6.15-20; vergleiche Dtn 9,9-21) steht ein nicht direkt dazu passendes Gespräch zwischen JHWH und Mose (VV 7-14). Dieses stammt offensichtlich aus anderem Zusammenhang: Nach VV 17-19 erfährt nämlich Mose erst später vom Vergehen des Volkes, und Aaron bittet ihn (Mose), von seinem „Zorn“ abzulassen; hier hingegen informiert JHWH Mose über den Abfall durch die Anbetung eines goldenen Kalbes (ursprünglich vielleicht als ein Bild für JHWH aufgefasst); außerdem erklärt JHWH ihm, dass er in seinem „Zorn“ (ein Bildwort für Gottes Gericht) das Volk wegen seiner Halsstarrigkeit zu vernichten gedenkt. (Damit aber seine Verheißungen nicht hinfällig werden, will er Mose zum Stammhalter eines neuen Volkes machen ).
Mose versucht daraufhin, Gott zu „beruhigen“ (wörtlich), indem er ihn an die machtvolle Herausführung aus Ägypten (V 11f) und an die Patriarchen erinnert: Ihnen hat er unter Eid seine Verheißung gegeben, die auch jetzt noch gilt.
Dieses aus jüngerer Zeit stammende Bittgebet steht hier als ein Beispiel dafür, wie das Volk Israel sich in der durch seinen Abfall verursachten Not immer wieder mit Worten aus dem eigenen Erfahrungsbereich an JHWH um Hilfe wenden soll und mit einer Erhörung seiner Bitten rechnen darf (bildhaft ausgedrückt in der „Reue“ Gottes).
Nach jüdischem und christlichem Glauben sind diese von Menschen in menschlicher Sprache niedergeschriebenen und gesammelten Worte zugleich „Worte Gottes“; denn durch sie spricht Gott selbst in der Kraft seines göttlichen Geistes, der in einer unser menschliches Verstehen übersteigenden Weise Schriftsteller und Leser „inspiriert“ (vgl. 1 Tim 3,15f): Er weist damit heute noch alle hin auf die Gefahr jeglichen Götzendienstes (etwa die Vergötterung von Profit und Macht, die zum Ruin seines Volkes und der ganzen Menschheit führen), aber auch auf die Wirksamkeit des Gebetes um Verschonung vor drohendem Unheil, selbst nach schlimmsten Sünden.