Das Pfingstereignis
aus franziskanischer Perspektive
Die Ausgießung des Heiligen Geistes über die im Obergemach von Jerusalem im Gebet versammelten Jünger gilt als Geburtsstunde der Kirche. Eine unerwartete Dynamik fegt die Lethargie aus den Herzen der kleinen Schar, die wie gelähmt erscheint von den Erlebnissen der Passion Christi. Die Erzählung der Apostelgeschichte gestaltet sich geradezu als barockes Bühnendrama mit einer großartigen Wende: Der Geist Gottes entzündet, tröstet, verbindet und schafft ein neues Verstehen!
Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber – wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken. (Apg 2,1-13)
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Franz von Assisi – ein Begeisterter
Die Pfingsterzählung hatte den Heiligen tief beeindruckt und ihn zu einem besonderen Verehrer des Heiligen Geistes werden lassen. Allzu gut wusste er, dass wie einst die Apostelschar auch seine neue Bewegung ohne das Wirken des Geistes Gottes keinen Bestand haben würde und keine Früchte bringen könnte. Daher nannte er den Heiligen Geist als den wahren Generalminister (höchsten Oberen) seiner wachsenden Gemeinschaft. Darin mag auch der Grund liegen, warum die Brüder stets am Pfingstfest ihre Kapitel abhalten sollten, jene brüderlichen Zusammenkünfte, bei denen wichtige Entscheidungen für die Zukunft und die vorgesehenen Wahlen zu den Ordensämtern durchgeführt werden.
Die Priorität des Geistes Gottes
In seiner Ordensregel und in den übrigen Schriften nimmt Franziskus sehr häufig Bezug auf die dritte göttliche Person, dieser bleibt gleichsam der rote Faden im Denken, Beten und Wirken des Kleinen Armen. Sehr früh schlossen sich ihm gelehrte Brüder, Professoren und angesehene Männer an, eine Entwicklung, die ihm etwas Sorge zu bereiten schien. Wollte er doch in Demut und Einfachheit Gott dienen und so dem Armen Christus folgen. In der Regel findet sich daraus ableitbar der klare Auftrag an die Brüder, dass sie über alles verlangen müssen, den Geist des Herrn zu haben und sein heiliges Wirken. Dies mag als Korrektiv gelten für jedwedes Reden und Tun seiner Mitbrüder.
Die trinitarische Dimension
Viel hat Franziskus meditiert über das Innenleben der Göttlichen Dreifaltigkeit und deren Wechselbeziehung mit dem Menschen bzw. der ganzen Schöpfung. Dabei kommt dem Heiligen Geist eine immanente Wirklichkeit zu als Ermöglicher, Antreiber und Verbindungsstifter. In geradezu mystischer Betrachtung versucht Franziskus die Bedeutung und Wirkweise des Geistes Gottes in Worte zu fassen. An alle Gläubigen gerichtet schreibt er: Unseres Herrn Verlobte sind wir, wenn die gläubige Seele durch den Heiligen Geist mit Jesus Christus verbunden wird. Und in seinen Ermahnungen an die Mitbrüder adressiert: Es ist der Geist des Herrn, der in seinen Gläubigen wohnt, der den heiligsten Leib und das Blut des Herrn empfängt. Der Heilige Geist selber ermöglicht also erst unsere Beziehung zum Sohn Gottes. Auch im Blick auf den Vater ist es der Geist, welcher den Menschen mit diesem in Verbindung setzt: Die wahren Anbeter werden den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten, und: Der Geist ist es, der in uns spricht: Vater unser, der du bist in den Himmeln.
Die marianische Dimension
Nicht nur in der Verkündigung der Menschwerdung Gottes wird ein Bezug des Heiligen Geistes auf die Jungfrau Maria hin eröffnet. Einen solchen finden wir auch im nachösterlichen Abendmahlssaal, wenn es heißt: Sie alle verharrten dort einmütig im Geist, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern (Apg 1,14). In der entscheidenden Geburtsstunde der Kirche ist Maria zugegen als Mitbetende und wiederum als Geistempfangende, die somit mit Recht zur Mutter der Kirche wird. Franziskus war diesem Gedanken tief verbunden und bekam dadurch ein kindliches Zutrauen zur Mutter Christi geschenkt. In seinem dichterischen Gruß an die Gottesmutter oder auch den marianischen Antiphonen seines Offiziums hat er dies verarbeitet:
Sei gegrüßt, Herrin, heilige Königin, heilige Gottesmutter Maria,
die du bist Jungfrau, zur Kirche geworden
und erwählt vom heiligsten Vater im Himmel […]
Heilige Jungfrau Maria, Braut des Heiligen Geistes,
vom Vater geweiht mit dem Sohn und dem Tröster Geist.
Beten mit Franziskus
Unser Mitbruder P. Johannes Schneider OFM hat verschiedene Aussprüche des heiligen Franziskus zu einem wunderbaren Pfingsthymnus verwoben, der die franziskanische Betrachtungsweise von Wesen und Wirken des Geistes Gottes trefflich zusammenschaut:
Komm Geist des Herrn, des Glaubens Licht, das unsre Finsternis durchbricht.
Du Geist, der uns lebendig macht und Hoffnung, Liebe uns entfacht.
Du Geist des Herrn suchst Heiligkeit in innerlicher Frömmigkeit.
Nach außen willst du niedrig sein, verborgen vor dem Augenschein.
Komm Geist des Herrn, mach uns bereit, Gott anzubeten allezeit.
Lass lieben uns in Tat und Werk, in Treue uns auf immer stärk.
Du Geist des Herrn wirst selig ruhn auf jenen, die da Buße tun,
und Bleibe sich in ihnen baun, die gläubig deiner Macht vertraun.
Komm Geist des Herrn und mach uns rein, gieß Licht in unsre Seele ein,
Entflamme uns mit deinem Glühn, um Christi Spuren nachzugehn.
Du Geist des Herrn du führst uns hin, zu Demut, Milde reinem Sinn,
zu Einfachheit und zu Geduld, zum wahren Frieden deiner Huld.
Komm Geist des Herrn, die Sehnsucht lehr, nach Gott, des Vaters Frucht und Ehr,
nach Weisheit in des Sohnes Wort und deiner Liebe immerfort.
Eine neue Geistfrömmigkeit
Nicht erst mit der sogenannten Charismatischen Erneuerung des 20. Jhdt., welche als Geistbewegung wahrgenommen wurde, wird dem Heiligen Geist wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt und wurde er verstärkt direkt Ziel von Anbetung und Verehrung. Wie in mittelalterlichen apokalyptischen Strömungen gingen manche soweit, ein drittes Zeitalter des Heiligen Geistes auszurufen. Franz von Assisi hatte, wie wir gesehen haben, zwar einen tieferen Zugang zum Heiligen Geist geschenkt bekommen, jedoch ist er in seiner grundsätzlichen religiösen Unaufgeregtheit nie einem verengenden Geistschwärmertum verfallen. Ihm scheint der biblische Befund eher zu entsprechen, mit der Zielrichtung, den Vater durch den Sohn im Heiligen Geist anzubeten.
Jedenfalls kann uns Franz von Assisi Wesen und Wirken des Geistes Gottes wieder näher bringen. Meine betagte Mutter betont jedes Jahr, dass Pfingsten für sie das größte Fest im Jahreskreis sei, weil wir ohne den Heiligen Geist gar nichts vermögen, nicht einmal zu beten. Sie hat gar nicht so Unrecht…
Veni, Sancte Spiritus! – Komm Heiliger Geist!
P. Oliver Ruggenthaler OFM