Klara von Assisi –
kleine Pflanze des heiligen Franziskus
Der liturgische Kalender führt am 11. August als Tagesheilige Klara von Assisi an. Das weibliche Pendant zu Franziskus bleibt zwar in dessen Schatten, ist jedoch von nicht minderer Bedeutung für dessen geistlichen Weg und die Ausprägung eines neuen geistlichen Weges der radikaleren Nachfolge des für uns arm gewordenen Sohnes Gottes. Als weiblicher Lungenflügel der franziskanischen Bewegung ist sie von bleibender Bedeutung und zugleich Fundgrube einer tiefwurzelnden Spiritualität und Christus-Mystik.
Nomen est omen
Hineingeboren in die adelige Familie der Offreduccio erblickte am 16. Juli 1193/94 in Assisi ein besonderes Mädchen das Licht der Welt. Bereits in der Schwangerschaft hatte ihre Mutter Hortulana im Gebet vernommen: Ein Licht wirst Du gebären, das die Welt heller erleuchten wird. Und von daher beschloss sie, dass ihre Tochter Klara genannt werde durch die Vorhersage ihrer strahlenden Klarheit. Clara bedeutet im Lateinischen die Strahlende, Leuchtende, Klare. In der Tat sollte ihre geistliche Strahlkraft richtungweisend werden für Franziskus und seine Brüder, die gleichgesinnten Frauen, die sie in San Damiano vor den Stadtmauern Assisis um sich sammelte, und für eine oberflächlich gewordene Kirche, an der viele litten.
Zu Neuem berufen
In Bewunderung für den völlig neuartigen Weg der Nachfolge, den Franziskus bereits vor einigen Jahren eingeschlagen hatte, verließ Klara am Palmsonntag 1212 heimlich ihr Elternhaus mit dem Ziel, ihr Leben nach dem Vorbild der Minderbrüder ganz dem Herrn zu überantworten. Und das nicht in einem bestehenden Orden, sondern in völliger Armut und Besitzlosigkeit. Weder Familie noch kirchliche Hierarchie wussten recht, wie damit umzugehen. Es sollte bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1253 dauern, bis ihr das Privileg der heiligen Armut, wie sie es nannte, sozusagen eine völlig neue Lebensform für eine religiöse Frauengemeinschaft zu San Damiano vom Papst bestätigt werden sollte. Klara wollte nicht ihren eigenen Kopf durchsetzen, sie erkannte klar und deutlich ihre ganz eigene Berufung, wenn sie in ihrem Testament schreibt: Erkenne deine Berufung! Der Sohn Gottes ist uns Weg geworden, den uns unser seligster Vater Franziskus, sein wahrer Liebender und Nachahmer durch Wort und Beispiel, gezeigt und gelehrt hat.
Heilige Herrin Armut
Das 13. Jahrhundert war generell eine Zeit vielfältiger Umbrüche in Kirche und Welt. Das alte Feudalsystem war in Frage gestellt durch den aufkeimenden Kapitalismus, ein durch Handel zu Wohlstand gekommenes Bürgertum brachte alte Gesellschaftsstrukturen ins Wanken. Kirchliche Strukturen und geistliches Leben waren zum Teil durch weltliches Getriebe degeneriert. Quasi als Antwort und Gegenmodell versuchten diverse Armutsbewegungen, den Kern des Evangeliums neu heraus zu schälen, freilich nicht selten mit einhergehenden Fehlentwicklungen bis hin zu Gewalt. Franz und Klara lehnten Aufruhr und Schwert kategorisch ab und setzten auf eine Erneuerung der Kirche durch persönliche Umkehr und Buße sowie in einem Leben von Achtsam- und Genügsamkeit aus der Betrachtung des Gekreuzigten. Klara schreibt an Agnes von Prag:
O liebevolle Armut, welche der Herr Jesus Christus, der Himmel und Erde regierte und regiert, der auch sprach und es ward, vor allen anderen hat umarmen wollen! … Wenn also ein so großer Herr in den jungfräulichen Schoß kam und verachtet, bedürftig und arm in der Welt erscheinen wollte, damit die Menschen, die überaus arm und bedürftig waren und äußersten Mangel an himmlischer Speise litten, in ihm reich würden, indem sie das Himmelreich besitzen, so frohlockt sehr und freut euch erfüllt von geistlicher Fröhlichkeit. Klara möchte diesen Weg der Entäußerung mit Christus gehen, und darin IHN selber in persönlicher Armut umarmen.
Umgewandelt in das Bild Christi
Die berühmte Kreuzesikone von San Damiano, heute im Klarissenkloster zu Assisi, nimmt in der Frömmigkeit der heiligen Klara eine zentrale Stellung ein. Täglich betrachtet sie darin den Gekreuzigten und Auferstandenen, beständig umarmt sie darin den, der sich uns ganz verschenkt und bleibend in der am Altar darunter gefeierten Eucharistie verschenkt. Aus dieser Betrachtung heraus animiert sie wiederum Agnes von Prag:
Stelle deinen Geist vor den Spiegel der Ewigkeit, stelle deine Seele in den Lichtglanz der Herrlichkeit, stelle dein Herz vor die Gestalt der göttlichen Wesenheit und forme dich selbst durch die Beschauung gänzlich um in das Abbild seiner Gottheit, damit du selbst empfindest, was seine Freunde empfinden durch das Verkosten der verborgenen Süßigkeit, die Gott selbst von Anbeginn denen aufbewahrt hat, die ihn liebhaben.
Leichtfüßig zu Gott
Trotz aller Widerstände bewahrte sich Klara eine bemerkenswerte innere und äußere Freiheit. Die enge klösterliche Klausur zu San Damiano schien ihr Herz und ihre Seele umso weiter zu öffnen hin auf Christus. So kann sie ihrer geistlichen Brieffreundin Agnes von Prag eine geradezu unbeschwerte Art der Nachfolge anraten: In raschem Lauf, mit leichtem Schritt, mit unbehinderten Füßen, so dass auch Deine Schritte den Staub nicht annehmen, sicher, freudig und flink, mögest Du behutsam auf dem Pfad der Seligkeit schreiten. Den Sohn Gottes empfiehlt Klara als Weg zu Gott, dem Vater. Antrieb und Motor dabei ist eine bräutliche Liebe zu Christus, die eine gewisse Leichtigkeit schenkt. Auch in dunklen Stunden vermag Klaras Herz fest und flink zu bleiben, denn so Klara an Agnes: Seine Macht ist stärker, und alle Gnade eleganter.
Etwas Neues vom Herrn
Über all die Jahre der Abgeschiedenheit des Klösterchens von San Damiano hatte sich Klara eine Offenheit und ein waches Herz für das konkrete Wirken Gottes in der Welt bewahrt. Ihre Lebensbeschreibung erzählt sogar von der Gabe der geistigen Translokationen, was ihr 1958 durch Pius XII. das Patronat für das Fernsehen einbrachte.
Noch kurz vor ihrem Tod bat sie Bruder Juniperus, einen berühmten Spielmann des Herrn, von ungewöhnlicher Heiterkeit erfüllt, ob er etwas Neues vom Herrn bereit habe. Er aber öffnete seinen Mund und entsandte wie aus einem Feuerofen seines glühenden Herzens Worte wie Feuerfunken; und seinen Gleichnissen entnahm die Jungfrau Gottes großen Trost. Ein geistliches Leben rechnet also mit der bleibenden Novität des Tuns Gottes zu jeder konkreten Zeit. Das Leben mit und aus IHM bleibt spannend!
Kirschen im Winter
Unerschütterlich schien das Gottvertrauen der heiligen Klara. Nicht etwa, um Gott auf die Probe zu stellen, sondern als Ausdruck ihres festen Glaubens bat sie, geschwächt ans Lager gefesselt, man möge ihr Kirschen bringen, und das mitten im Winter. Aber einer der Gefährten des Franziskus, der mitten unter ihnen war, drehte sich um und sah zufällig hin auf einen Kirschbaum, der im Wohnbereich des Klosters stand. Da sah er einen Ast voll reifer und schöner Kirschen. Der Bruder erschrak über diese ungewöhnliche Sache, stieg auf den Baum und pflückte von den Kirschen und brachte sie der seligen Sankt Klara. Er wunderte sich sehr darüber und dankte Gott auch dafür. So aß sie die Kirschen ganz ehrfürchtig und sandte sie aufmerksam auch den anderen Kranken, die da waren. Diese Legende zeigt etwas von Klaras Haltung in Krankheit und Leiden, eine gewisse Unbeschwertheit spricht aus ihrem Wunsch nach Kirschen mitten im Winter, ein tiefes Vertrauen auf die Tröstung durch den Schöpfer. Ableger des besagten Kirschbaums im Garten von San Damiano wurden seither über die Jahrhunderte weiter gepfropft. Noch zu ihren Lebzeiten sandte Klara Ableger davon einer Beginengemeinschaft in der Südtiroler Bischofsstadt Brixen, welche sodann die Regel der heiligen Klara annahmen. Das Klarissenkloster dort besteht aber bis zum heutigen Tag und auch ein Kirschbaum aus der Verbindungskette bis zurück zu den Ablegern aus dem Garten der heiligen Klara in Assisi.
Zuversicht im Sterben
Über 30 Jahre schwerer Krankheit, die Klara über dem Kirchenraum von San Damiano auf das Krankenlager gefesselt hielt, vermochte ihren Geist und ihre Seele nicht zu brechen. Auch gegen Ende ihres Lebens zeigt sie eine erstaunliche Gelassenheit. Die überlieferte Zwiesprache mit ihrer eigenen Seele im Sterben ist ein wunderbares geistliches Testament und Anleitung auch für unser aller Heimgehen, Zeugnis einer großen Dankbarkeit für das kostbare Geschenk des Lebens:
Geh hin, meine Seele, in Sicherheit,
denn du hast ein gutes Reisegeleit,
denn der dich erschaffen hat,
hat dich zuerst geheiligt,
und nachdem er dich erschaffen hat,
hat er dir den Heiligen Geist gesandt
und dich immer beschützt
wie die Mutter ihr Kindlein,
und dich mit zärtlicher Liebe geliebt.
Du Herr, sei gepriesen,
der du mich erschaffen hast!
P. Oliver Ruggenthaler OFM