Hoffnung
Jedoch sagt schon der berühmte römische Redner, Politiker und Philosoph Cicero (106 - 43 v. Chr.): „Solange ich atme, hoffe ich.“[1]
Wir dürfen also sagen, dass „Hoffen“ eine Grundhaltung des Menschen ist. Diese hängt mit „Vertrauen“ zusammen; durch Mangel an Zuwendung schon in der Kindheit kann kein Vertrauen entstehen und so auch keine Hoffnung.
„‚Vertrauen können’ – ist eine große Gnade. Wie kommt diese Gnade, diese seelische Fähigkeit, in uns hinein? Normalerweise eröffnen uns gute Eltern den Weg für dieses Vertrauen; oder andere frühe Bezugspersonen in unserer Umgebung!
Wenn das Kind spürt, dass man den Menschen trauen kann, dann wächst dieses Vertrauen, auch das Gottvertrauen, leichter in der Seele des Kindes.
Außerdem trägt von Natur aus jeder Mensch in seinem Inneren eine tiefe Sehnsucht nach Gott. Das Menschenherz hat Sehnsucht nach seiner Heimat. Das Gottvertrauen ist eine Ausdrucksform dieser unserer Sehnsucht nach Gott. Diese Sehnsucht hat uns unser Schöpfer eingeschaffen. Aber diese Sehnsucht muss durch Menschen geweckt und durch unser Gebet am Leben erhalten werden.
Aber auch wenn in der frühen Kindheit dieses Vertrauen in der Seele sich nicht entfaltet hat, dann ist es auch später noch möglich, dass dieses Vertrauen nachwachsen kann, vor allem dann, wenn der Mensch mit dem Glauben an Gott in Berührung kommt oder durch gute Menschen (Lehrer, Erzieher, Seelsorger, Freunde, u. a.).
Aber ein in der Seele des Kindes entstandenes Ur-Misstrauen kann schon wie eine tiefe Verwundung oder wie ein ständiger Schatten in der Seele des erwachsenen Menschen zurückbleiben. Solche Menschen brauchen immer wieder einen Seelsorger, der ihnen Mut macht, das Vertrauen auf Gott nicht aufzugeben.“ (Pius Schmidt)
Gott ähnlich werden
Aufbauend auf dieser natürlichen Basis schenkt Gott die Tugend der christlichen Hoffnung. Was ist der Inhalt dieser Tugend? Das Reich Gottes oder, wie die Bibel sagt, dass wir Gott ähnlich sein werden[2].
Wem diese Aussage unrealistisch erscheint, dem sage ich: Ohne Teilnahme am göttlichen Leben wäre ein ewiges Leben unerträglich, ja schrecklich. Freilich muss dieses „Gott ähnlich werden“ näher erklärt werden.
Er kann uns doch nicht im Stich lassen
Das ist das große Geschenk der Taufe: die wirkliche, allerdings nur im Glauben erfassbare Gemeinschaft mit Jesus: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Unsere Lebensaufgabe: diese Gemeinschaft mit Jesus zu vertiefen.
Was geschieht nun im Tod? Sicher, unser Organismus löst sich auf; aber was geschieht mit unserer Christusverbundenheit? Sollte Christus uns ganz einfach ins Nichts verkommen lassen? Seine Verbindung mit uns einfach aufgeben? Die Bibel sagt uns etwas anderes: „Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin. Sie sollen meine Herrlichkeit sehen ...“ (Joh 17,24).
„Vollende ...
... was du in der Taufe begonnen hast.“ So wird beim Begräbnis gebetet. Die Bibel gebraucht folgenden Vergleich: Die Taufe ist eine Anzahlung mit dem Recht, die ganze Summe zu erhalten. Ohne Bild gesprochen: Die Taufe ist der Beginn der Gemeinschaft mit Jesus Christus. Aber wie unvollkommen ist diese Gemeinschaft; fehlen uns zum Beispiel bei der Kommuniondanksagung die Worte? Jesus will aber eine viel vollkommenere Gemeinschaft mit uns. So schenkt er uns (unserer unvergänglichen Seele) im Tod Anteil an der Fülle seines Lebens. Dadurch werden wir nicht nur vom Tod erweckt, sondern werden auch „Gott ähnlich“ (vgl. 1 Joh 3,2).
Anders wäre ein ewiges Leben unerträglich. In mystischen Erfahrungen werden Menschen mit einer Ahnung vom ewigen Leben beschenkt. Die heilige Bernadette sagte: „Die Madonna war so schön, dass man sterben möchte, um sie noch einmal zu sehen.“ Und André Frossard erfährt die unfassbare Milde/Güte Gottes.
Noch eine Frage muss angesprochen werden: Auferweckung im Tod? Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal G. L. Müller, sagt dazu: „Der Tod lässt die Entscheidung des Menschen für oder gegen Gott definitiv werden. Jeder muss sich unmittelbar nach dem Tod dem besonderen Gericht stellen (1021). Entweder ist noch eine Läuterung notwendig oder der Mensch gelangt unmittelbar in die himmlische Seligkeit und darf Gott von Angesicht zu Angesicht schauen.“[3]
Dieser Auffassung sind auch viele Theologen. Beten nicht auch theologisch nicht Ausgebildete zu den Heiligen und zu ihren verstorbenen Angehörigen? Das setzt doch voraus, dass sie nicht erst am jüngsten Tag vollendet werden.
Wir werden unsere Lieben ...
... wiedersehen und viele andere, mit denen wir ein Leben verbunden waren. Wir sehen unseren Namenspatron und Schutzengel und natürlich nicht nur diesen. Wir sehen die heilige Maria und den heiligen Josef – wie sehr lieben sie uns. Diese Liebe lässt sich nicht vergleichen mit der Liebe, mit der Jesus Christus, der Heilige Geist und der Vater uns mit Liebe umfangen. Da wir Gott ähnlich sind, dürfen wir auch in diese Welt hineinwirken. Bitten wir doch die Heiligen, unsere Angehörigen, um ihre Hilfe, vor allem, dass wir Jesus mehr erkennen und lieben.
Weil wir im Himmel immer wieder Neues erfahren, ist es auch ständiges „Neueintauchen in die Freude“ (Papst em. Benedikt XVI.).
Ohne Ewigkeitsperspektive
Ich denke, die Hoffnung auf das Reich Gottes kommt in der Verkündigung zu kurz; umso mehr müssen wir uns um sie bemühen. Dazu ein paar Vorschläge. Bitten wir öfters: „Herr, stärke meine Hoffnung.“ Wenn wir privat beten, fügen wir der Bitte „dein Reich komme“ hinzu: „Herr, hilf uns, auf das Reich Gottes zu hoffen.“
Denken wir beim Ave Maria daran: Die Stunde unseres Todes ist auch „Stunde“ unserer Auferweckung und Verherrlichung. Achten wir beim Betrachten der Heiligen Schrift auch besonders auf jene Texte, die von unserer Hoffnung sprechen. Einüben von Vertrauen, Hoffen in den alltäglichen Herausforderungen.
Weshalb ist die christliche Hoffnung so wichtig?
1. Sie macht uns auch in schwierigen Situationen (wie jetzt!) zuversichtlicher.
2. Wenn in vielen Ländern jetzt, auch Deutschland und Österreich, die Mithilfe zum Selbstmord gestattet wird, muss umso mehr von der Hoffnung, freilich auch vom Gericht, gesprochen werden.
3. „Ohne Ewigkeitsperspektive wird der Mensch zum Raffer, der in der begrenzten Lebensspanne möglichst viel in sich hineinzustopfen versucht – auch auf Kosten seiner Mitmenschen ... und wenn die ‚Party’ des Lustrasens vorbei ist, macht man Schluss“ (im Sinne von Marianne Gronemeyer/H. Wohlmeyer).
„Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Für den Christen stirbt die Hoffnung nicht, sie führt ihn in die Herrlichkeit.
P. Benno Mikocki OFM
[1] Dum spiro spero
2 „Doch ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1 Joh 3,2)
3 Glaubensmanifest, 5 Das ewige Leben