Hallo Kinder!
Er keucht und er sieht nichts mehr, weil seine Augen voller Tränen sind. „Na wer wird denn weinen, so ein großer Junge…“ Der ältere Herr dreht sich kopfschüttelnd um. Ivo streckt voller Wut die Zunge heraus und rennt weiter. Seine Seite sticht und er bekommt keine Luft mehr. Er lässt sich auf eine leere Bank fallen, zieht sein Smartphone aus dem Hosensack, es fällt zu Boden und zerbricht. Das auch noch! Ivo ist so wütend, so traurig und so verzweifelt.
Rund um ihn sind fröhliche Leute. Kinder, die gerade aus einem Karussell ausgestiegen sind, Eltern, die sich lachend über die Kinder beugen und ihnen Geld für weitere Abenteuer im Wiener Wurstelprater zustecken. Wohin Ivo auch schaut, alle Menschen sind glücklich – nur er nicht.
Vorige Woche hat ihm sein Freund Gerhard erzählt, dass sich seine Eltern scheiden lassen. Er hat recht gejammert, weil er nicht weiß, ob er bei seiner Mama bleiben darf, oder ob er zu seinem Vater in ein fremdes Land ziehen muss. Ob er seine Eisenbahnanlage mitnehmen darf, ob er seine Mutter besuchen darf, oder nicht. Auch seinen Opa kann er dann nicht mehr so oft besuchen. Ja, der Gerhard hat ihm sehr Leid getan, er würde seinen besten Freund verlieren. Das alles geht Ivo durch den Kopf.
Heute an diesem sonnigen Sonntag ist die ganze Familie in den Prater gegangen. Ivo hat sich so gefreut. Papa hat versprochen, mit ihm die neue Loopingbahn auszuprobieren. Dann wollten sie mit der Liliputbahn fahren und Eis essen gehen. „Versprochen ist versprochen, das wird auch nicht gebrochen!“, hat Papa feierlich gesagt und dann haben sie lachend „eingeschlagen“.
Jetzt sitzt er da, mit hängendem Kopf und rinnender Nase. Er hat einen Klumpen im Hals, wenn er daran denkt, dass mitten im schönsten Trubel diese toll gestylte, blonde Frau auf seinen Papa zugelaufen ist. Sie ist ihm um den Hals gefallen und er hat sie geküsst. Mama hat sehr erstaunt geschaut, kein Wort gesagt und die kleine Schwester hat nur eine Grimasse geschnitten.
Vielleicht ist es bei meinen Eltern auch schon so weit? Wie ein Blitz durchfährt es Ivo. Unlängst haben sie recht laut gestritten. Er hat an der Tür gelauscht und die Wörter „scheiden lassen und geh doch …“ gehört. Nein, nein, das darf nicht sein. Sein Papa hat ihn gar nicht beachtet, er hat nur noch diese fremde Frau angeschaut und beide haben laut gelacht! Das auch noch!
Dann ist Ivo einfach weggelaufen, weit weg will er, niemanden will er sehen, die Erwachsenen sind so gemein, so hinterlistig! Mein Papa und meine Mama!
Sie sind so unfair! Dann ist Ivo einfach auf und davon. Sein Papa hat sein Versprechen gebrochen. Zerbrochen, wie das Glas von seinem Handy…
„DU SOLLST NICHT DIE EHE BRECHEN“, fällt Ivo ein. Er erinnert sich an die Zehn Gebote, die er auswendig gelernt hat. Das ist ja auch ein Versprechen, das sich ein Mann und eine Frau geben, wenn sie heiraten, hat er gelernt. Ja und das Versprechen soll man halten…
Langsam hebt Ivo seinen Kopf. Er wischt sich die Tränen aus den Augen und schnäuzt sich. Er schaut umher, kennt sich nicht mehr aus. Welchen Weg ist er gelaufen? Die Karusselle sehen anders aus. Ist er von rechts gekommen? Wo ist der Platz mit der Loopingbahn? Die Menschen rund um ihn sind weiterhin voller Freude, lachen und rufen, Lärm kommt von der Geisterbahn, ein Mädchen hat Zuckerwatte, es riecht nach heißem Öl und Langos. Hoch über Ivo fliegen die Burschen und Mädchen im Karussell.
Er will seine Mama anrufen, das Handy ist aber zerbrochen. Da bleibt ein Streifenwagen der Polizei stehen, die freundliche Polizistin fragt Ivo nach seinem Namen, er darf einsteigen und nach zehn Minuten umarmt Ivo seine Eltern.
Die schöne junge Frau steht immer noch bei ihnen. Aber – zu Ivos großer Verwunderung steht auch noch ein Mann dabei, der ein Baby in der Babyschlinge trägt.
„Ivo, wo warst du, wir haben dich überall gesucht. Bist du weggelaufen? Hast du dich verirrt? Du hast ja ganz verschwollene Augen und dein Gesicht ist ganz verschmiert – Ivo, das ist die berühmte Teresa, mit der ich als Kind unseren bösen Nachbarn mit dem Gartenschlauch verjagt habe. Dieser Praterbesuch sollte eine Überraschung werden. Ivo, das ist also deine Tante Teresa, dein noch winziger Cousin Albert und dein Onkel John…“
Ivos verschwollene Augen werden groß und rund. Alle lachen und Ivo geniert sich plötzlich. „Hi Ivo“, ruft John „glad to see you“, und Tante Teresa umarmt Ivo so fest, dass er fast keine Luft bekommt.
Als sich schließlich der winzige Cousin lautstark meldet, machen sich alle auf den Weg. „Ivo, komm, wir wollen doch mit der neuen Loopingbahn fahren und John möchte die berühmte Liliputbahn kennen lernen. Und du weißt ja: Versprochen ist versprochen, das wird auch nicht gebrochen.“
Es ist ein sehr lustiger Nachmittag geworden und Tante Teresa hat viel von Papas Kinderstreichen erzählt.
Ivo kann lange nicht einschlafen. Er schleicht sich zu den Eltern ins Schlafzimmer und fragt: „Und warum lasst ihr euch scheiden? Wohin sollen wir dann gehen, wir haben euch doch beide lieb?“
Jetzt bekommt Papa große, runde Augen. „Wie kommst du auf die Idee?“
„Ich, ich hab` gelauscht, und da hab ich euch reden gehört und die Mama hat gesagt: so geh doch…“ Und jetzt muss der große Bub doch wieder weinen.
„Oh nein, o nein“, rufen beide – wir haben uns im Fernsehen einen Film angeschaut, und da hast du dir etwas eingebildet. „Nein“ sagt Papa noch einmal, „da hast du dir etwas eingebildet, das waren die Stimmen der Schauspieler!“ Jetzt müssen beide lachen.
„Wir haben uns bei der Hochzeit das Versprechen gegeben, zusammen zu bleiben, weil – ‚Versprochen ist versprochen, es wird auch nicht gebrochen’.“
Rufen jetzt alle Drei und lachen aus ganzem Herzen.
Eure Geschichtenmacherin Hannelore
Liebe Lesemäuse,
schreibt bitte den Spruch von Ivos Eltern auf und sendet ihn uns zu.
Ich wünsche euch eine besinnliche österliche Bußzeit. Geht zur heiligen Beichte, dann wird eure Freude zu Ostern doppelt sein.
Sende den Spruch an:
FRK, Postfach 695, A-1011 Wien;
Einsendeschluss: 15. Mai 2021
Vergiss nicht, dein Alter anzugeben.
Schöne Bücher warten auf dich.